Editorial 2024
Sehr geehrte Damen und Herren
Das Geschäftsjahr 2024 war für RUAG wie erwartet äusserst intensiv. Die bereits in den vorherigen Jahren identifizierten Herausforderungen, vornehmlich bezogen auf die Aufarbeitung zahlreicher Altlasten sowie die kulturelle Weiterentwicklung des Unternehmens, spielten dabei eine zentrale Rolle. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen war RUAG mehrheitlich in der Lage, den strategisch übergeordneten Leistungsauftrag sicherzustellen und die Verfügbarkeit der Systeme der Schweizer Armee zu gewährleisten. Zudem hat sich RUAG als Unternehmen positiv weiterentwickelt und ist im Vergleich zum Entflechtungszeitpunkt im Jahr 2020 heute deutlich transparenter, strukturierter und leistungsfähiger aufgestellt. Diese anspruchsvolle Simultanität – also die Aufarbeitung vergangener Ereignisse bei gleichzeitigem Aufbau neuer Strukturen und einer aktiven Zukunftsgestaltung – ist nur dank überdurchschnittlich leistungsbereiten, integren und hochkompetenten Mitarbeitenden möglich. Ihnen allen ist an dieser Stelle für ihren uneingeschränkten Einsatz explizit zu danken.
Neue Erkenntnisse hinsichtlich vergangener Ereignisse
Im Verlauf des Geschäftsjahres 2024 haben sowohl Bundesinstanzen wie die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) als auch eine renommierte Anwaltskanzlei, im Auftrag des Verwaltungsrates von RUAG, diverse Geschäftstätigkeiten des Unternehmens aus der Vergangenheit fundiert untersucht. RUAG hat sämtliche Untersuchungen proaktiv und transparent unterstützt und in Absprache mit der EFK die Unabhängigkeit sichergestellt.
Die zum Abschlusszeitpunkt der Geschäftsberichterstattung 2024 vorliegenden Erkenntnisse haben einerseits bereits antizipierte Ungereimtheiten bei Geschäftsvorfällen der damaligen RUAG Division Defence bestätigt. Andererseits lieferten sie neue Fakten betreffend weitere Geschäftsaktivitäten in der Vergangenheit, die nicht konsequent gemäss verbindlichen Vorgaben durchgeführt wurden. Ausserdem legten die Berichte offen, dass Prozesse sowie Zuständigkeiten innerhalb des Unternehmens und die Abstimmung zwischen RUAG und den politisch übergeordneten Stellen verbessert werden müssen.
RUAG nimmt die Erkenntnisse sämtlicher Berichte sehr ernst. Folglich wird das Unternehmen diese nutzen, um die Aufarbeitung der Altlasten gewissenhaft und auf faktenbasierter Grundlage voranzutreiben und die zukünftige Unternehmensgestaltung daran auszurichten. Primär wird es darum gehen, wirksame Konsequenzen abzuleiten und die internen Regeln, Prozesse sowie Strukturen weiter zu verbessern. Bereits seit langem arbeitet RUAG intensiv daran, eine Unternehmenskultur zu etablieren, bei der Offenheit, Transparenz sowie ein adäquater Umgang mit Fehlern im Vordergrund stehen.
Personelle Veränderungen im Verwaltungsrat und Stabilisierung der operativen Führung
Der Verwaltungsratspräsident der RUAG MRO Holding AG, Nicolas Perrin, hat sich im Berichtsjahr entschlossen, sein Amt nach fünf intensiven Jahren geordnet in neue Hände zu übergeben. Während seiner Amtszeit hat er wesentlich dazu beigetragen, RUAG neu zu gestalten und zukunftsfähig auszurichten. Der Verwaltungsrat der MRO Holding AG hat an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 10. Dezember 2024 Jürg Rötheli zum Verwaltungsratspräsidenten und Nachfolger von Nicolas Perrin gewählt. Zudem hat die GV die Nachfolge von Heinz Liechti, der im Mai des Berichtsjahres ordentlich aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten war, geregelt und Roland Leuenberger als neues Mitglied in den Verwaltungsrat gewählt.
Ralf Müller wurde per 1. März 2024 zum neuen CEO der RUAG MRO Holding AG ernannt und übernahm somit die operative Gesamtverantwortung des Unternehmens. Die bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlichen, interimistischen Co-CEOs Thomas Kipfer und Christian Priller, kehrten in ihre ursprünglichen Funktionen zurück. Ralf Müller ergriff in seinen ersten Monaten im Unternehmen bereits viele wichtige Stabilisierungsmassnahmen und konnte strategisch wichtige Meilensteine in zentralen Projekten erreichen. Zudem fördert er die Weiterentwicklung der angestrebten Unternehmenskultur aktiv.
Die Weiterentwicklung des Unternehmens im Fokus
Die RUAG MRO Holding AG nahm ihre Betriebstätigkeit im Jahr 2020 mit einer ungenügenden strukturellen Basis auf und die entsprechenden Rahmenbedingungen haben sich als unzureichend erwiesen. Zudem haben Herausforderungen bei der IT-Infrastruktur zusätzlichen Aufwand erfordert und die einzelnen Geschäftsfelder wurden nicht nach einheitlichen Grundsätzen geführt sowie organisiert. Dies erschwerte die Unternehmenssteuerung, schränkte die Transparenz betreffend die Geschäftsvorgänge ein und führte zu einem ausgeprägten Silo-Denken. Obwohl sich RUAG im Berichtsjahr 2024 sehr stark mit diesen und weiteren Herausforderungen aus früheren Jahren beschäftigen musste, hat das Unternehmen die Zukunftsgestaltung stets im Fokus behalten. Mit der Einführung des neuen SAP-Systems S/4HANA erreichte RUAG einen Meilenstein im Aufbau der neuen Strukturen. Die anfänglichen Beeinträchtigungen der operativen Leistungserbringung, die bei solch weitreichenden Systemwechseln üblich sind, konnten sukzessive minimiert werden. So konnte RUAG die Verfügbarkeit der Systeme der Schweizer Armee bis zum Sommer gemäss Leistungsauftrag sicherstellen. Diese Stabilisierung war unter anderem auf die gute Zusammenarbeit zwischen RUAG und der Schweizer Armee zurückzuführen.
Zusätzlich zu den weitreichenden Prozess- und Systemumstellungen hatte im Berichtsjahr 2024 auch die Weiterentwicklung der Gesamtorganisation strategische Priorität. Diesbezüglich wurde die Basis gelegt, um die Organisationsstrukturen im Jahr 2025 anhand des strategischen Leistungsauftrages und abgestimmt mit den angestrebten, kulturellen Veränderungen anzupassen.
Operative Leistung verbessert, Liquiditätssituation bleibt herausfordernd
RUAG hat im Berichtsjahr die operative Leistung verbessert. Dies zeigt sich dadurch, dass die relevanten Kennzahlen erreicht wurden. Zudem konnten die negativen Auswirkungen von diversen Verlustprojekten abgeschwächt werden. Hinzu kommt, dass sich die von der Geschäftsleitung angeordneten Sparmassnahmen positiv auf das Unternehmensergebnis auswirkten. Somit hat RUAG die Stabilisierungsphase erreicht. RUAG wird den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen und alles daransetzen, in den kommenden Jahren weitere nachhaltige Ergebnisverbesserungen zu erzielen. Dennoch gab es auch im Berichtsjahr ausserordentliche Effekte, die das Ergebnis belastete . Dazu gehörten vornehmlich die Bereinigung der Altlasten, die Einführung des SAP-Systems S/4HANA und die Kosten der in Auftrag gegebenen Untersuchung. Ebenfalls belastend für das Ergebnis von RUAG waren finanzielle Vorleistungen für zukünftige Vorhaben der Armee sowie Entwicklungsprojekte wie der Ersatz des integrierten militärischen Fernmeldesystems (ERSA IMFS). Diese Positionen konnten nur teilweise aktiviert werden.
Weiterhin als langfristig unzureichend einzustufen ist die Liquidität von RUAG. Dies, weil die RUAG MRO Holding AG bei der Gründung mit deutlich weniger Kapital ausgestattet wurde, als empfohlen. Nicht eingerechnet waren damals die Aufwendungen für die Bereinigung der Altlasten im Umfang von CHF 200 Mio. Mit der Vorgabe, keine Fremdverschuldung eingehen zu können, blieb die Liquiditätssituation angespannt und der Handlungsspielraum des Unternehmens deutlich eingeschränkt. Somit sind notwendige Investitionen in die Zukunft, der Aufbau von Kompetenzen sowie der Substanzerhalt der Immobilien nur schwer zu realisieren.
Geschäftsrelevante Erfolge und Zukunftsgestaltung
Im operativen Geschäft konnte RUAG auch im Berichtsjahr 2024 wesentliche Erfolge erzielen. Bei der Business Area Ground verliefen die Projekte «Werterhalt Schützenpanzer 2000», «Mörser 16» und «BODLUV» nach Plan. Mit dem Erhalt der Vorabzustimmung für die Endfertigung von vier der neuen F-35-Kampfflugzeuge (Projekt «RIGI») konnte die Business Area Air einen bedeutenden Schritt in die Zukunft machen.
Der Bereich C2I+ entwickelt sich als Integrator im Sensoren-, Nachrichten-, Führungs- und Wirkungsverbund (SNFW) erfolgreich weiter und konnte die Zusammenarbeit mit dem Kommando Cyber der Schweizer Armee vertiefen. Somit wird C2I+ zukünftig ein bedeutendes Standbein von RUAG sein. RUAG Real Estate erwirtschaftete im Kerngeschäft ein erfreuliches Resultat und trieb die synergetische Arealentwicklung konsequent voran.
Ebenfalls im Berichtsjahr 2024 hat RUAG seine Innovationstätigkeiten neu fokussiert und die zentrale «RUAG Innovation Organisation», kurz RIO, aufgelöst. Diese strukturelle Massnahme ermöglicht dem Unternehmen, künftig die erfolgversprechendsten Projekte und Geschäftstätigkeiten, die RIO identifiziert hat, konsequenter anzugehen. Mit dieser Fokussierung adressiert RUAG künftig gezielt Geschäftstätigkeiten in den Bereichen der mobilen sicheren Kommunikation und der Cyber-Sicherheit. Damit beweist RUAG, dass das Know-how aus dem Kerngeschäft auch für weitere sicherheitsrelevante Institutionen von grosser Bedeutung ist.
Die strategische Ausrichtung von RUAG und die Werte der Unternehmenskultur konnten den Führungskräften in spezifischen Workshops vermittelt werden. Der gemeinsame Weg in die Zukunft und der strategische Wandel, der eng mit den künftigen Vorhaben der Schweizer Armee abgestimmt ist, wurden so im Unternehmen verankert.
Politische Rahmenbedingungen sind zukunftsentscheidend
Als Technologiepartner der Schweizer Armee und als umfassendes Sicherheitsunternehmen beschäftigt sich RUAG bereits heute mit den Herausforderungen und Bedrohungsszenarien von morgen. Aus diesem Grund arbeitete das Unternehmen im Berichtsjahr 2024 konsequent an der Weiterentwicklung der Gesamtorganisation. Um die Dienstleistungen gegenüber der Armee in allen Lagen zu erbringen und das Know-how zu erhalten sowie weiter auszubauen, ist RUAG unter anderem auf zielorientierte politische Rahmenbedingungen angewiesen. Dies, beispielsweise auch in Zusammenhang mit der Beteiligungsstruktur der RUAG MRO Holding AG am Chemietechnologie-Unternehmen «Nitrochemie». Denn um mit Investitionen die bisherigen Beteiligungen zu halten – und damit verbunden die strategischen und sicherheitsrelevanten Produktionskapazitäten auszubauen – braucht es unterstützende Entscheide.
Nicolas Perrin, Verwaltungsratspräsident RUAG MRO Holding AG
Ralf Müller, CEO RUAG MRO Holding AG